Gestern den Nachbarn getroffen.
Sieht schlimm aus, der Mann. So wie man aussieht, wenn einem das Leben „gestohlen“ wurde. Er raucht zu viel (Bestandsaufnahme des Aschers vorm Haus), hat abgenommen, ist fahl im Gesicht, die Wangen sind eingefallen und die Augen wässrig.
Er ist offenbar sehr verzweifelt. Ich habe nur ein einziges Mal bisher einen so tief verzweifelten Menschen bewusst gesehen. Ist keine gute Erinnerung. Immerhin hat er den richtigen Weg eingeschlagen und sich einen Arzt gesucht. Guter Junge.
Der Rosenkrieg geht derweil weiter. Das Kind mittendrin. Er hat einige Details erzählt, die ihm wohl aufs Herzen drückten. Ich hoffe jetzt, es ist nur seine krude Sicht der Dinge und nicht einmal zur Hälfte wahr.
Ich hab ihm gesagt, wenn es ihm schlecht geht, kann er jederzeit einfach klingeln und rüberkommen. Einen Kaffee trinken, ein wenig reden. Ob er es tun wird, wer weiß. Immerhin war da ein Hauch von einem Lächeln, das ist ja schonmal was. Er sagte, es sei nur eine Frage von ein bis zwei Wochen, dann würde die Entscheidung fallen, dass sie ausziehen müsse. Dann würde sie ausziehen. Daraufhin meinte ich, dass es ihm dann vermutlich trotzdem erstmal nicht gut gehen würde. Dass ich nicht glaube, dass sie sofort auszieht, wenn der „Räumungsbescheid“ ankommt, hab ich ihm lieber nicht gesagt… es wäre zu hart gewesen.
Als er die Tür zugemacht hat, konnte ich nahezu sehen, wie er anfing zu weinen.