Stellen wir uns für einen Moment vor, meine Firma wäre ein altdeutsches Skatblatt.
In diesem Falle wäre ich eine Grün-Acht. Vielleicht auch eine Grün-Neun, denn der Unterschied zwischen Achten und Neunen ist lediglich die Verweildauer in der Firma.
Auf jeden Fall hat unser Herz-König neulich eine Email an alle Herzen, Grünen und Eicheln geschickt und zum großen Kartentreff geladen.
Nun waren wir Grünen Luschen uns einig, dass wir dieses Unterfangen gern gemeinschaftlich boykottieren wollten. In mitten einer lebhaften Diskussion platzte dann allerdings unser grüner Unter und erklärte, dass diese Veranstaltung keineswegs freiwillig sei, sondern eben obligatorisch. Unter sticht Lusche! Murrend haben wir das dann so hingenommen.
Dann, gestern Abend, dachte ich zunächst, dass mein kleiner Joker zu Hause zieht und pünktlich zum großen Tag krank wird. Zu meinem Glück und vielleicht auch zur Rettung meiner firmeninternen Reputation war sie aber heute Morgen wieder halbwegs kitafit.
Nunja, heute also der große Tag, der Tag des Kartentreffs. 11:30 sollte es losgehen, also hatte ich gestern noch mit einigen Herz-Luschen ein Date fix gemacht. So Kartentreffs sind ja immer auch gesamtgesellschaftliche Ereignisse, bei denen man die Inner-Company-Beziehungen zu anderen Abteilungen pflegen kann. 11 Uhr waren wir verabredet, und als ich dann langsam lostuckern wollt, kam der Unter (DER schon wieder!) und meinte, es sei noch viel zu früh! Diesmal habe ich mich aber durchgesetzt (Null! Luschen sind Trumpf!) und bin einfach frühzeitig los. Der Gewinn waren super Sitzplätze wohingegen etliche andere stehen mussten.
Dann kam sie, die mit Spannung erwartete Rede des Herz-König. Ich war vorgewarnt worden, dass es sich lediglich um eine äußerst langweilige Motivationsrede handeln würde. Allerdings kam es anders. Der Herzkönig, gebürtiger Amerikaner, sprach in schönem (obgleich von seinem Dialekt geprägten und dadurch zu Beginn eher schwer verständlichen) Englisch und hielt eine durchaus interessante Rede. Es ging um Risiken und Chancen und ich für meinen Teil bekam einen kleinen Einblick in seine Vision der zukünftigen Schifffahrtsindustrie. Nichts desto trotz war die Kernaussage natürlich: Es ist schwierig, es wird weiter schwieriger, das Geschäft geht am Stock. Wir machen Verluste. Es ist nicht zu erwarten, dass es kurzfristig zu einer Erholung kommt, seine fehlende Euphorie sagte mir, dass er auch mittelfristig nicht ernsthaft ein Ende der Krise erwartet, obgleich er davon sprach, dass man auf Besserung der Situation in etwa zwei Jahren hoffe. Hoffnung ist ein Wort, dem in letzter Zeit zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Insgesamt versuchen die Herren wohl, das Unternehmen für die weitere Zukunft aufzustellen. Die Zeiten, in denen wieder alles rosig ist.
Leider wurden etliche der Herz-Luschen enttäuscht, die darauf hofften, aus dem Munde des Herz-König zu vernehmen, dass ihre Arbeitsplätze gesichert seien. Der Herz-König, wie auch der danach sprechend Grün/Eichel-König ließen nichts dergleichen verlauten. Es wurde lediglich erwähnt, dass in naher Zukunft neue Grün- und Eichel-Luschen rekrutiert werden sollen. Wir weiten den Kopf aus, wie es der Grün-/Eichel-König gekonnt zusammenfasste. Ob das nun die richtige Richtung ist, weiß man nicht, ich schlussfolgere jedoch, dass für einige Herz-Luschen der Abgesang begonnen hat, denn offenbar will man mehr auf Verwaltung denn auf Technik setzen. Ins gleiche Horn bließ in einer Nachbesprechung im kleinen Kreis einer der Herz-und-Grün-Ober, denn er erwähnte beiläufig, dass unsere Herz-abteilung bei der Neuaquise von Dampfern zu teuer wird und es sich bei den derzeitigen Verhandlungen wohl eher um Verwaltung und Vercharterung gehe und weniger um technische Belange. Aha. Überhaupt war die intimere Anschlussveranstaltung wesentlich aufschlussreicher, was die harten Fakten anging. Nett vom Ober, dass er dazu extra vorbeikam. Schubi (so heißt er ) ist ohnehin einer meiner Lieblingsvorgesetzten. Neben HS (der ist zwischenzeitlich zum Eichel-Ober aufgestiegen) derjenige, für den ich am liebsten arbeiten würde hier im Haus. Man sollte dazu sagen. Für HS würde ich bei mir genehmen Rahmenbedingungen durchaus auch meine Loyalität zu dieser Firma aufgeben und in eine andere wechseln. Von meinem Grün-Unter bin ich derzeit noch nicht so hundertprozentig überzeugt. Denn der hat mich jetzt schon einige Male fies geschnitten, wenn auch unabsichtlich. Jedes Mal musste ich durch Eigeninitiative die wichtigen Sachen selbst geradebiegen und mich zu wirklich wichtigen Meetings nachträglich einladen lassen, damit die Infos nicht an mir vorbei gehen. Finde ich nicht gut, gar nicht gut. Manchmal möchte man Unter und Ober ja gern in den Skat drücken, was aber auch wieder nich gut ist, denn ohne sie gewinnt man die wenigsten Spiele. Wie auch immer, darum geht es ja nicht.
Wo waren wir? Ahja, beim Kartentreff. Nach dem Herz-König sprach dann noch der Grün-König. Ironischerweise fand ich seine Rede wenig begeisternd, was meine Luschen-Kollegen nun wieder ganz anders sehen. Seine Aussprache war deutlich die eines Nicht-Muttersprachlers, was ihn zwar einerseits verständlicher machte, mich aber anderseits durch seinen niederländischen Aktent verwirrte, nachdem ich mich gerade an das amerikanische Englisch seines Vorredners gewöhnt hatte. Außerdem fiel mir auf, dass sein Englisch zwar fließend, jedoch weit entfernt von perfekt ist. Überaschend. Er sprach jedenfalls von der unglaublichen Wichtigkeit der Grünen und Eicheln und darüber, wie gut die Firma aufgestellt sei. Darüber, dass wir Interesse bei Investoren geweckt hätten, dass wir mit den Banken zusammenarbeiten und aus einem Topf von Schiffen, die nahe der Insolvenz sind und von den Banken weitergeführt werden, jedes zweite zur Bearbeitung im Management (damit meinte er Fondsmanagement, Chartering und Buchhaltung bekämen. Hier mag , neben der unglaublichen Volatilität der Grünen-und-Eichel-Belegschaft auch die Ursache für die bereits angesprochene Neurekrutierung von Eicheln und Grünen liegen.
Joa soweit.
Zur Motivationshebung von uns Grün- und Eichelluschen fand vorgestern ein großes Gelage in der neu ausgebauten Wohlfühllounge der Könige statt. Einer der Eichel-Ober und sein kleiner König hatten geladen. War lecker. Zur weiteren Steigerung des Wohlbefindens von uns Eicheln und Grünen gibt es in zwei Wochen eine Überraschungsausfahrt mit noch unbekanntem Ziel. Wie man sieht, die Könige und ihre Untergebenen sind sehr besorgt um unser ihrer Luschen Wohlergehen 😉
eine nette Königenrunde hast du da…
viele Niederländer sprechen zwar viel Englisch aber nicht unbedingt das Beste, hab da einige Beispiele in meiner alten Firma kennengelernt auch Könige und Obere…die machen sich offensichtlich schonmal in trockeneren Gefilden nieder als deren Eigene, bevor die Flut kommt 😉