Widerlich.

Gaddafi ist tot. Erschossen vom aufgebrachten Mob, in einer Stadt in Afrika. Man kann vieles über diesen Mann sagen, dass er ein Tyrann war, ein selbstsüchtiger Exzentriker, vielleicht ein Irrer, einer, der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen hat, einer, der seine Widersacher auf brutale Weise zum Schweigen brachte, von mir aus ein Mörder. Dennoch ist es unmenschlich, einen alten, unbewaffneten Mann einfach zu töten. Auch, wenn in weiten Teilen Lybiens Bürgerkrieg herrscht. Lynchjustiz ist immer unmenschlich.

Es gibt ja Videos um den Tod von Gaddafi, die deutlich zeigen, wie würdelos das Ganze von statten ging. Ich habe kurz in diese Videos reingesehen, sie sind wirklich sehr verstörend. Wobei ich die ganze Hinrichtungsszene gar nicht angeschaut habe sondern nur etwa eine Minute vorher, wo sie ihn – lebend – herumzerrten und beschimpften (nehme ich an). Hat mir gerreicht, ehrlich. Menschen können in ihrem Hass so erbärmlich sein.

Die Reaktionen der Politiker in aller Welt stimmt mich dabei besorgt. Hillarys „Wow“ ist da noch das geringste. Für Todesurteil und die unwürdige Hinrichtung (irgendwie doppelt gemoppelt, welche Hinrichtung ist schon „würdig“..) von Saddam Hussein wurden große Worte gesprochen, die Widerwillen gegen die Todesstrafe aber vor allem die Achtung vor der irakischen Justiz ausdrückten.
Nun ist Lybien nicht der Irak. Dennoch erfüllt es mich mit Entsetzen, dass Regierungen als erstes den Tod des Mannes begrüßen. Wie kann man begrüßen, dass ein wütender Mob einen Menschen einfach umbringt? Sollte man nicht auch ausdrücken, das man Lynchjustiz grundsätzlich ablehnt? Zum Glück sind heute, im Laufe des Tages offenbar einige Politiker noch zur Vernunft gekommen.. vielleicht haben sie ja die Videos gesehen.

Die Reaktion unser deutschen Medien hingegen stimmt mich nicht mehr besorgt, sie ekelt mich nur noch an.
An der Kasse unseres örtlichen Lidl stand ich, gezwungenermaßen, neben den Stapeln von BILD und Hamburger Morgenpost. Die drucken doch tatsächlich ein Bild aus den Videos vom offenbar „frisch“ erschossenen Gaddafi halbseitig auf dem Titel?! Da bekomm ich das Würgen. Es gibt Dinge, die ich nicht sehen muss. Und kleine Kinder erst recht nicht. Es ist auch kein „historisches Bild“ wie die BLÖD titelt. Bilder von Ermordeten sind nicht historisch sondern bestenfalls überflüssig. In diesem Fall ist die aus dem Abdruck des Bildes entstehende Glorifizierung der Lynchjustiz einfach nur widerlich.

4 Gedanken zu „Widerlich.

  1. Ich stimme dir voll und ganz zu! Und als ich heute ebenfalls im Supermarkt neben einem Stapel BLÖD stand, wurde mir speiübel und ich dachte, dass das ja jetzt wohl nicht deren Ernst sein kann, dieses Bild aufs Titelblatt zu drucken.

  2. Uns geht es einfach zu gut um sowas verstehen zu können. Wir haben nun gut 60 Jahre Frieden hinter uns und kennen weder Hunger noch Unterdrückung.

    Von diesem Thron lässt sich super über Menschlichkeit philosophieren – das interessiert bloß keinen. „Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Not.“ – so sagte Goethe schon und dem stimme ich zu.

    Für dich ist es kaltblütiger Mord – für diese Bevölkerung ist es die letzte Rettung und ein Befreiungsschlag. Aus Wut und Verzweiflung geboren.

    Schön muss man es nicht finden. Aber verstehen kann ich es zumindest. Die Welt wäre ein schönerer Ort, wenn diese Grenze die einen Menschen zu solchen Taten antreibt niedriger wäre – denn dann würden sich die Leute an der Macht zehnmal überlegen wie sie regieren. Ich wünschte es gäbe mehr Revolutionen und derartige Ausbrüche „direkter Demokratie“. Auch wenn es zynisch ist – der Tod eines einzelnen ist immer vertretbar wenn dadurch der Tod von vielen verhindert wird.

    „You get what you give“ – Wer Wind sät, wird Sturm ernten!

    • Du hast meinen Punkt nicht verstanden. Es geht in diesem Posting nicht um Lybien. Nicht wirklich. Es geht darum, dass deutsche (besser weltweite) Medien nichts besseres zu tun haben, als ein Foto eines im Rahmen von Lynchjustiz frisch erschossenen Mannes auf den Titel zu nehmen und obendrein z.T. dümmlich zu betiteln.

      Was Lybien selbst angeht, nunja. Die Lage dort scheint mir schwer einschätzbar. Komplizierte Sache. Soweit ich das erfassen kann, wird dein Kommentar „Wer Wind säht, wird Sturm ernten“ in der Tat eintreten. Die von der Nato so großzügig unterstützen Rebellen sind ganz offensichtlich keinen Deut besser als Gaddafi es war. Sie ermorden die schwarze Bevölkerung z.B. systematisch. Sie sind zerstritten, es gibt da zwei zentrale Gruppen, die einen Herrschaftsanspruch haben und nach dem Tod Gaddafis wird die Rivalität zwischen beiden nur größer werden… und sie haben viele feine Waffen.
      Es bleibt also spannend.
      So wie Ägypten eigentlich auch immer noch spannend ist..

  3. Keine Ahnung was Medien so titeln – ich sehe das schon lange nicht mehr. Medien sind schon seit einiger Zeit nicht mehr da um zu informieren – Sie sind da um Umsatz zu generieren. Als Teil der Wirtschaft sind sie weder unabhängig, noch umfassend und auch nicht objektiv.

    Ich weiß nur noch nicht ob die Verschwörungstheoretiker Recht haben und dies ein Teil des Planes ist die Bevölkerung mittels Furcht in die gewünschte Richtung und Unabhängigkeit zu lenken (siehe „Antiterrorgesetze“ – wo noch nie etwas derartiges bei uns geschehen ist) – oder ob die Gesellschaft ansich nach solcherlei Details giert und die Matrix recht hatte, dass der Mensch einfach nicht mit Frieden umgehen kann.

    So oder so – kann ich empfehlen: Wenn du es nicht ändern kannst – ignoriere es.

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