Zettel.

Zettel ist tot.

Ich bin, obwohl mir das ungefähre Alter Zettels durchaus bewusst war, ein wenig fassungslos.

Zettels Raum ist für mich eines der Besten, wenn nicht das beste politische Blog im deutschsprachigen Internet. Das zugehörige Forum ist ungewöhnlich niveauvoll und ich war ein begeisterter stiller Leser. Still deshalb, weil ich nicht zuletzt immer den Eindruck hatte, dass ich weder die Ausdrucksfähigkeit noch das breit aufgestellte Allgemeinwissen besitze, um ernsthaft auf diesem Niveau diskutieren zu können. Eine interessante Erfahrung war das Lesen der angeregten Diskussionen allemal. Es tut gut, mal zu merken, dass es auch andere Menschen gibt, die ernsthaft nachdenken und nicht aller – zumindest eigentlich vorhandenen – Klugheit zum Trotz täglich über die neuste RTL/RTL2/Sat1/Pro7-Dokusoap diskutieren.

Zettel war liberal, sein Blog zu lesen hat mich liberaler gemacht als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Seine unglaublich scharfen und klaren Gedanken haben mich einige meiner Grundfesten überdenken lassen. Danke dafür.

5 Gedanken zu „Zettel.

  1. Der Kerle sagt mir nichts. Ich bin Dank der FDP allerdings auch von der Liberalität abgeschreckt. Theorie und Praxis sind eben doch zwei Paar Schuhe. Die ganzen Debatten und Diskussionen sind nach dem zerkauen des Themas letztlich nur noch Zeitvertreib. Man kann 100 Jahre darüber streiten wie und ob und an welcher Stelle man ein Loch graben will aber solange keiner den Spaten schwingt wird sich da nichts tun – und der, der den Spaten schwingt, der entscheidet dann eh nach Erfahrungswerten die die Diskutierenden mit höchster Wahrscheinlichkeit gar nicht haben.

    Was ich damit sagen will? Rechts, Mitte, Links, Liberal – ganz egal. Es ist wie beim Ballonfahren – oben ist die heiße Luft der Politiker und unten hofft der kleine Mann, dass der Wind einen halbwegs in die richtige Richtung trägt.

    • Abgesehen davon, dass ich unter Nachrufen ungern über politisches diskutiere, denke ich, dass du Unrecht hast.

      Natürlich ist der Politikbetrieb mit seinen Spielarten zuweilen unerträglich. Egal ist hingegen überhaupt nichts. Weder die politische Grundeinstellung noch eine politische Diskussion.

      Politik ist nicht überflüssig noch von Grund auf weltfremd. Politik geht jeden an! Ein jeder sollte eine politische Meinung haben, die über plattes „Ich bin links/rechts/grün/kommunist/liberal“ hinausgeht und genauso sollte jeder bereit sein, für Ziele, die ihm wichtig sind, einzutreten. Auch politisch.
      Demokratie hört nicht alle vier Jahre bei der Stimmabgabe in der örtlichen Grundschule auf. Demokratie lebt von Menschen, die bereit sind, sie zu gestalten, die nicht nur Stammtischparolen der letzten feucht-fröhlichen Sitzung wiedergeben wollen, sondern die anpacken – für sich, für die anderen, für das große Ganze!

  2. Natürlich bist du nicht meiner Meinung. Es würde mich überraschen wenn wir tatsächlich mal auf einer Linie wären. 😉
    Demokratie lebt vom Menschen – in Deutschland haben wir jedoch keine Demokratie. Die Variante der parlamentarischen Demokratie die wir in Deutschland haben blockiert sich selber. Der Bürger hat die Illusion einer Wahl. Aber ob wir nun wie in USA ein Zwei-Parteien System haben oder ein 2+ Anhang System wie in Deutschland ändert nichts. Letztlich bleibt es bei SPD + oder CDU +. Egal in welcher Mischung dies geschieht so ändern sich höchstens Nuancen. Dies ist mir seinerzeit aufgegangen, als nach langer CDU-Regierung die SPD mit den Grünen an die Macht kam.

    War die SPD sozialer als die CDU? Waren die Grünen pazifistischer? Weder noch. Die gleichen Entscheidungen die damals getroffen wurden hätten auch von der CDU oder der FDP kommen können.

    Was also tun, wenn links nicht mehr links ist, rechts nicht mehr rechts und es dadurch keine Mitte mehr gibt? Nicht wählen? Irgendwas ankreuzen? Protestwählen?

    Der Bürger ist Müde. Der Bürger WILL wieder ein mündiger sein. Wir haben in Bayern (ich war dabei) das Studiengeld gekippt. Ist das Demokratie? So hart erkämpft? Warum müssen die Hürden so hoch sein? Wir haben doch die Schweiz als Vorbild! Wie sehr habe ich mich ein gesetz zur Begrenzung von Managergehältern in D gewünscht. Es gäbe so viele Entscheidungen zu treffen. Homoehe? Ja! Sofort. 70+% stimmen mir zu. Der CDU ist’s (noch) egal obwohl sie gewählter Repräsentant wären.

    Ich brauche keinen verstaubten von Vetternwirtschaft zerfressenen Beamten-Rattenschwanz in Berlin deren wichtigstes Thema Diätenerhöhungen sind. Ich will wählen. Doch diese Wahl habe ich derzeit nicht.

    • Ähm… also sind Volksbegehren gegen Studiengebühren jetzt schon hohe Politik. Aha.

      Homo-Ehe ist ja nett, von meiner Seite sollen alle heiraten, die es wollen, aber davon geht nun mal nicht die Lösung für die politischen Probleme aus. Ich empfinde es zur Zeit eher als angenehm, dass die Politik sich nicht auch noch über so etwas banales zerfleischt. Es gibt eine eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare. Reicht vorerst. Die „Ehe“ bringt doch lediglich fiskalische Privilegien, die, wenn man ehrlich ist, schon lange überarbeitet gehören. Der Staat sollte meines Erachtens keine Lebensart bevorzugt behandeln. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die Privilegien des Ehegattensplittings abgeschafft werden. Zu Recht.

      Was die Begrenzung der Managergehälter angeht. Nichts für ungut, aber das, was die Schweiz da als großer Wurf von Gesetz beschlossen hat, ist bestenfalls lachhaft.

      Abgesehen davon sind wir nicht die Schweiz. Die Möglichkeit von Volksentscheiden ist auch in unserer Demokratie gegeben und wird durchaus auch genutzt.

      Aber selbstredend sollten nicht für jede politische Richtungsentscheidung erstmal ein Plebiszit ausgerufen werden. Das wäre ein Tummelplatz für Populisten und Demagogen und das Ende jeder echten Demokratie.

  3. Thema Politik & Demokratie:
    Politik wird immer auf mehreren Ebenen gemacht. Sei es Kommunal, Land, Bund oder EU-Weit. Für eine Demokratie des mündigen Bürgers sollte daher jeweils zugeschnitten ein entsprechendes Instrument da sein. Die Politik hat natürlich ein Interesse daran eben dies nicht zu ermöglichen. Sonst könnte man ja nicht weiterhin Politik am Bürger vorbei machen und sonst wären die Wahlbeteiligungen auch entsprechend besser. Die Hürden für einen Volksentscheid sind nicht nur wegen der bösen Demagogen und Populisten hoch – sondern bewusst gewollt um die Politik Bürgerfern zu halten. Ich denke die Angst vor „Meinungsmachern“ ist vorgeschoben. Natürlich braucht es eine aufgeklärte Gesellschaft für eine direktere Demokratie – die Vorraussetzungen zu schaffen liegt an der Politik unter anderem mit der Bildungspolitik. Mann kann nun geteilter Meinung sein ob Deutschland soweit ist – das ist aber wieder ein anderes Thema.

    Es ist bezeichnend, dass man für etwas Banales wie Studiengebühren kämpfen muss. Die, die es angeht, nämlich die Studenten, konnten in Bayern eine Entscheidung nicht herbeiführen, einfach weil es weniger Studenten gibt als mindestens an Stimmen nötig gewesen sind für den Volksentscheid. Also musste man Eltern, Freunde und Bekannte involvieren, die mit der Sache nichts oder wenig zu tun hatten. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, was dein Seitenhieb mit der hohen Politik andeuten soll. Was ist denn hohe Politik? Ich finde es schon wichtig, dass Bildung frei sein soll und nicht nur den Bessergestellten zur Verfügung steht. Studiengebühren sind in diesem Konstrukt auch ein Teil.

    Thema Homoehe:
    Deine Aussage zur „Homoehe“ ist so eine Sache. Du bist nicht involviert, daher findest du es genüge schon, wenn man als Homosexueller eine eingetragene Partnerschaft vornehmen kann. Die Pflichten soll man schon teilen aber die Rechte nicht. Es geht dabei ja nicht nur um finanzielles – es geht auch um Adoptionsrecht z.B. Aber: Um die Umsetzung geht es in erster Linie nicht. Die Frage ist doch: Sind alle Menschen gleich? Wenn ja, dann müssen auch alle Menschen die gleichen Rechte haben unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Ausrichtung.

    In zweiter Linie können wir dann feststellen, dass die aktuellen Gesetze veraltet sind und einer Überarbeitung bedürfen. Dazu müssen wir uns klarwerden was wir wollen. Es geht doch eigentlich gar nicht ums heiraten oder nicht. Rechte und Pflichten kann man ja problemlos gleichstellen. Das Problem ist die Förderung / das Splitting / die Aufteilung. Es endet also in einer Steuerreform und wenn etwas gefördert werden soll, dann wohl das Kind ansich. Da hat man mit dem Kindergeld eine flexible Lösung die vollkommen unabhängig von der Ehefrage ist.

    Single, Lebensgemeinschaft, Lebensgemeinschaft mit Kind. Ich formuliere es als Lebensgemeinschaft, weil ich mir durchaus auch vorstellen kann, dass man zu dritt oder mehr als Erziehungsberechtigter auftreten kann. Das wird in den nächsten hundert Jahren bestimmt auch noch ein Thema in der Gesellschaft werden.

    Thema Deckelung von Managergehältern:
    Lachhaft hin, lachhaft her. Das ist ja nicht die Frage. Jeder Marathon beginnt mit dem ersten Schritt.

    Wir können ja grundsätzlich mal feststellen ob wir auf einer Linie stehen: Sollen oder sollen Gehälter / Verdienste nicht begrenzt werden? Ist es OK, das jemand z.B. 10+ Millionen Euro im Jahr erhält. Unabhängig davon wie man es nennt oder zahlt. Als Bonus als Aktienpaket oder Ähnliches.

    Abhängig davon können wir das ganze dann diskutieren oder nicht. Ich stehe auf der Seite, dass es sozial unverträglich ist, wenn z.B. Herr Martin Winterkorn von VW mehr als das 200fache eines sehr guten Monatsgehaltes verdient. Jemand, der also 200-mal mehr Leistung erbringt oder andersherum der soviel Leistung erbringt wie 200+ seiner besser bezahlten Mitarbeiter stelle ich mir eher mit rotem Umhang und blauem Strampelanzug vor. Aber Herr Winterkorn kann weder fliegen noch kann er mit seinen Augenlasern schweißen…

    Wenn du das anders siehst, dann fehlt uns leider die gemeinsame Basis – um diese zu schaffen ist dann die Demokratie da. Ich beuge mich dann entsprechend der Mehrheit.

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